Chronik der Stadt Geyer

um 1315
Beginn des Geyerschen Bergbaus

1381
erste urkundliche Erwähnung Geyers

1395
Bau des Wehrturmes

1407
Geyer erhielt das kleine Marktrecht (galt im Umkreis einer halben Meile)

1453
Geyer erhielt das Braurecht

1455
während des Läutens zersprang die große Glocke der Nikolaikirche

1467
erstmalige Erwähnung als Stadt, damit verbunden das große Marktrecht

1486
Ulrich Schütz wurde mit dem "Schützhof" belehnt

1491
Zerstörung der Nikolaikirche durch einen Brand

1496
Bau des ersten Rathauses

1506
Vollendung des Umbaues der St. Laurentiuskirche

um 1530
Schaffung der Skulpturen "Ölberggruppe"

1537
Einführung der Reformation

1538
Münzprägung (Rechenpfennige mit Wappen der Familie Schütz)

1553 bis 1586
Geyer erhielt den Großteil seines Waldes von Kurfürst August I. geschenkt

1561 bis 1564
Errichtung des Oberbaues des Wachtturmes

1564
Beginn der Arsenikproduktion

1566
Hieronymus Lotter erwarb das Rittergutes "Geyersberg"

1580
Hieronymus Lotter verstarb auf seinem Lehnhof

1581
erste Erwähnung der Vitriol- und Schwefelhütte

1632 und 1633
Plünderung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg

1704
erster Bingesturz

1732
Salzburger Exulanten in Geyer

1753
letzte Hinrichtung in Geyer (Sophia Elisabeth Melzer soll ihren Mann vergiftet haben)

1803
zweiter großer Bingesturz

1809
Evan Evans verlegte seine Werkstatt nach Geyer und wurde zum wichtigsten Unternehmer der Stadt

1844
Evan Evans verstarb in seinem Spinnereigebäude

1845
Weihe des zweiten Rathauses

1854
großer Stadtbrand, bei dem 100 Häuser abbrannten

1855
Zinnschmelze in Geyer

1861 und 1862
Errichtung der Bürgerschule

1864
Weihe des dritten Rathauses

1865
Gründung der Städtischen Feuerwehr

1882
Gründung der Posamentierfachschule

1884
Einweihung der neuen Bürgerschule an der Ehrenfriedersdorfer Straße

1886
Baubeginn der Bahnlinie Geyer-Schönfeld

1887
Gründung der Dynamitfabrik

1891
Gründung der Gemeinde- und Privatbeamtenschule

1894
Übergabe der Hochdruckwasserleitung für 300 Häuser

1897
Beginn mit der Stromversorgung

1899
das erste Auto in Geyer

1902
Bau der ersten Post in Geyer

1904
Gründung der ersten Geyerschen Strumpfindustrie durch Richard Wenzel

1905
Bau der größten Kleinbahnbrücke Deutschlands (Ehrenfriedersdorf-Geyer)

1907 bis 1909
Umbau der St. Laurentiuskirche, Bau des Kreuzganges

1911
Bildung des Zweckverbandes "Erzgebirgische Kraft-Omnibus-Verkehrseinrichtung"

13. Juli 1914
Brand des dritten Rathauses

1918
Ende des I. Weltkrieges (Geyer hatte 242 Kriegsopfer zu beklagen)

1920
Weihe des vierten Rathauses

1945
Ende des II. Weltkrieges (Geyer hatte 481 Kriegsopfer und Vermisste zu beklagen)

1951
Übergabe der Glocken "Frieden" und "Einheit"

1952
Eröffnung des Turmmuseums im städtischen Wachtturm

1953
Fertigstellung der Auferstehungskirche

1958
Zusammenschluss der 34 privaten Posamentenbetriebe der Stadt

1973
Fertigstellung des 192,85 m hohen Fernsehturmes an der Zwönitzer Straße

1989
Bürgerdemonstrationen fordern auch in Geyer einen gesellschaftlichen Reformprozess

1992
Errichtung des Gewerbegebietes

1993
Rückübertragung des Geyerschen Waldes an die Stadt Geyer

1994
Einrichtung der Sozialstation, Träger ist die Evangelisch-Lutherische Kirche

1994
Errichtung des Huthauses an der Binge

1998
Eröffnung des Freizeitbades Greifensteine

2005
Neugestaltung des Marktplatzes

2006
Schließung der Mittelschule
Einweihung des Marktbrunnens durch Bürgerspenden

2007
Weihe des Brunnenumbaus
die ehemalige Bürgerschule wurde zum Wohnhaus saniert
Kanalbau mit Versorgungsleitungen in der August-Bebel-Straße

2008 bis 2009
Fortsetzung des Kanalbaus mit Versorgungsleitungen

2010
Kellerausbau des "Lotterhofes"
Erneuerung der Außenfassade der St. Laurentiuskirche

2011
würdiger Empfang unseres Weltmeisters in der Nordischen Kombination "Eric Frenzel"
der Geyersche Wald verhilft Geyer zum Schuldenabbau
Weihe des Gedenksteins "Fritz Hennig"
Erkundungsbohrungen der Deutschen Rohstoff AG

2012
Geyer erhält einen öffentlichen Kinderspielplatz
im Stadtwald entsteht ein Heimatliederweg
Sicherung des Erbstolln "Neuer tiefer Hirtstolln"
Fortsetzung der Erkundungsbohrungen in Geyer
Jubiläum "60 Jahre Turmmuseum"
die Stadt Geyer erbt
Pfarrhaus erhält neuen Gemeindesaalanbau
Instandsetzung der Skisprungschanzen im Greifenbachtal

Beiträge zur Stadtgeschichte

Am 01. Dezember 2020 ist Steffen Küchler zum Ortschronisten unserer Stadt bestellt worden. Tatsächlich arbeitet er jedoch schon seit mehreren Jahren ehrenamtlich in dieser Position und veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Artikel zu interessanten Objekten, Personen oder Ereignissen unserer Stadtgeschichte. 

Im Laufe des Jahres 2021 soll auf einige dieser ausgewählten Ereignisse ausführlicher eingegangen werden.
Auch Ihre Wünsche können hierbei gerne berücksichtigt werden. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften an: steffen.kuechler@stadt-geyer.com

Aus unserer Heimatgeschichte

Vor 640 Jahren (1381)   erste urkundliche Erwähnung Geyers

Vor 555 Jahren (1466)   die Bergherren Nickel Tyle und Ulrich Schütz werden mit einem Freihof in Geyer belehnt, heute noch bekannt als Schützhof

Vor 530 Jahren (1491)   Zerstörung der Nikolaikirche durch einen Brand

Vor 525 Jahren (1496)   Geyer erhält sein erstes Rathaus

Vor 515 Jahren (1506)   Vollendung des Umbaus der St. Laurentiuskapelle zur Hauptkirche

Vor 510 Jahren (1511)  Salzmarkt von Geyer wird erstmals erwähnt

Vor 475 Jahren (1546)   Gründung der Schneiderinnung zu Geyer

Vor 460 Jahren (1561)   Baubeginn des achteckigen Oberbaus des Wachtturmes

Vor 455 Jahren (1566)   Hieronymus Lotter erwirbt das Rittergut Geyersberg

Vor 440 Jahren (1581)   Vitriol- und Schwefelhütte bei Geyer wird erstmals urkundlich erwähnt

Vor 415 Jahren (1606)   der sächsische Kurfürst bestätigt die Innungsartikel der Fleischhauer der Stadt Geyer

Vor 360 Jahren (1661)   13 Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieg gab es in Geyer noch 118 Brandstätten und nur 83 bewohnte Häuser

Vor 185 Jahren (1836)   der Maurer Christian Gottlieb Meyer wirft seine drei Kinder in den 100 Meter tiefen Schacht in der Nähe der Kupferwasserhütte, heute bekannt als Drei-Kinder-Schacht

Vor 220 Jahren (1801)   zeitweilig existiert eine erste Apotheke an der Zwönitzer Straße

Vor 200 Jahren (1821)   noch am 21. Juni Reif und Frost und am 24.10. schon wieder erster Schnee

Vor 160 Jahren (1861)   die Bürgerschule wird ihrer Bestimmung übergeben

Vor 135 Jahren (1886)   Baubeginn der Schmalspurbahnlinie Geyer-Schönfeld/Wiesa; Verkehrskatastrophe im Dezember durch anhaltenden Schneefall

Vor 130 Jahren (1891)   Gründung der Gemeinde- und Privatbeamtenschule

Vor 115 Jahren (1906)   Inbetriebnahme des Streckenabschnittes Geyer – Thum der Schmalspurbahn

Vor 110 Jahren (1911)   Bildung des Zweckverbandes „Erzgebirgische Kraft-Omnibus-Verkehrseinrichtung“ EKOV; Weihe des Turnplatzes an der Zwönitzer Straße

Vor 100 Jahren (1921)   Großfeuer in der Gebr. Arnoldschen Blechwarenfabrik; feierliche Übergabe des großen Wandbildes für den Stadtratssaal

Vor 95 Jahren (1926)   Weihe der Kriegergedächtnisglocke im Wachtturm, 1942 fällt diese dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer

Vor 70 Jahren (1951)   Übergabe der Glocken Frieden und Einheit

Vor 60 Jahren (1961)   erste Wohnungen der Arbeiter-Wohnungsbau Genossenschaft an der Siedlung des Friedens werden bezogen

Vor 55 Jahren (1966)   „Stadtblaatl“ (Veranstaltungsplan und Mitteilungen im Format A6) erscheint nach anfänglichen Startschwierigkeiten in 1965 nun seit Juli 1966 monatlich

Vor 50 Jahren (1971)   Namensgebung für die neugestaltete Festwiese im Rahmen des Kultur- und Sportfestes

Vor 45 Jahren (1976)   
Weihe des Verkehrsdenkmals, die Schmalspur-Lokomotive der Baureihe IV K Nr. 99534
Eröffnung einer sog. Dienstleistungsannahmestelle in der August-Bebel-Straße 86, heute 11
und eines Ausleihestützpunktes für Werkzeuge und Geräte Karl-Marx-Platz 502, heute Altmarkt 8
Festtage der Kultur vom 03. - 30. Oktober

Vor 40 Jahren (1981)
Kosmonaut Siegmund Jähn besucht die Oberschule in Geyer
Schnitz- und Klöppelausstellung in der Schulaula
Beginn einer Umprofilierung der ständigen Ausstellung im Wachtturmmuseum
Erarbeitung und Anlegung eines Geschichtslehrpfades in und um Geyer

Vor 35 Jahren (1986)
Fertigstellung der zentralen Bus-An- und Abfahrtsstelle
6. Wilder Mann wird aufgestellt
Rekonstruktion des Bayrischen Hofes zur sogenannten zentralen Arbeiterversorgung beginnt
Inbetriebnahme des Start- und Zielgebäudes

Vor 30 Jahren (1991)
Sozial- und Tagespflegestation nimmt Tätigkeit auf
Partnerschaftsvertrag mit Schwarzenbruck wird geschlossen
erste Satzung des Zweckverbandes Greifensteingebiet wird unterzeichnet, der Verband wird zum 31.12.2016 wieder aufgelöst
Öffnung und Ergänzung des Inhaltes der in der Turmkugel des Wachtturms aufgefundenen Kapsel
1. Spatenstich für die neue Kaufhalle auf der ehemaligen Festwiese

Vor 25 Jahren (1996)
Einweihung des Saales im Haus des Gastes,
Beginn der Bauarbeiten am Freizeitbad
1. Handels- und Gewerbeschau

Vor 20 Jahren (2001)
Dr. Weiß wird wieder Bürgermeister
erste Eheschließung im Wachtturm
Modellbahnausstellung im Saal des Ratskellers und im Lokschuppen

Vor 15 Jahren (2006)
Schließung der Mittelschule
Einweihung des Marktbrunnens
im Kunert Werk wird die letzte Socke gestrickt
7. Wilder Mann wird aufgestellt

Vor 10 Jahren (2011)
Harald Wendler wird Bürgermeister
Rohstofferkundung mit Hubschrauber und Sonde sowie Erkundungsbohrungen in der Gemarkung
Mechanische Landschaften ziehen ins Rathaus ein, 2016 erfolgt der Umzug nach Eibenstock
würdiger Empfang für Weltmeister Eric Frenzel

Vor 5 Jahren (2016)
Marktbrunnen erhält erstmals ein österliches Gewand aus 1819 verzierten Eiern
Volksbank Erzgebirge eG schließt Filiale
Filiale der Deutschen Post zieht von der August-Bebel-Straße 5 nach Altmarkt 9 um
Bahnhofsgebäude und ehem. Baumarkt werden abgerissen

Auswahl/Text: Steffen Küchler
Quellen: Ortschronik/Stadtarchiv/Wochenblatt und Anzeiger/Jahresrückblick

Vortrag in der Stadtratssitzung am 01.12.2020, öffentlicher Teil, Tagesordnungspunkt 12, „Würdigung 100 Jahre Rathausweihe“, bearbeitet für Wochenblatt und Anzeiger

Heute habe ich die Gelegenheit, anlässlich meines 100. Geburtstages, einige Episoden aus meinem Leben berichten zu dürfen.
Über meine Architektur an sich, inkl. der Uhr, aber eher nicht. Jeder weiß, dass ich eines der schönsten Rathäuser zumindest in Sachsen bin.
Ich bin sozusagen aus der Asche des am 13. Juli 1914 niedergebrannten dritten Rathauses geboren. Am 26.09.1916 wurde mein Grundstein gelegt und eigentlich wollte ich die Schätze die sich darin befinden, zu meinem 100. Geburtstag offenbaren. Das muss nun leider Corona bedingt warten. Natürlich kenne ich den Inhalt. Im Inneren des Grundsteins befindet sich wiederum der Grundstein vom ersten Rathaus und in einer Hülse aus geyerschem Zinn Dokumente und Wertzeichen, Urkunden und Denkmünzen, sogar eine Schweinshaut mit Nachrichten von 1844 und vom 26. September 1916. Im Grundstein eingehauen ist zu lesen: Erbaut in den Jahren 1916 – 1920 (Bild 1). Ursprünglich stand dort 1917, aber da hatte man sich, wie man heute sagen würde, sehr weit hinausgelehnt. Denn aufgezogen, sprich gebaut, hat man mich dann in Mühe und Not bis 1920. Es waren schwere Zeiten, man denke nur an den Ausbruch des 1. Weltkrieges am 02. August 1914.
Über die ganze Zeit hat meinen Bau der Architekt Emil Ebert geleitet, er hatte sogar extra dafür sein Rathausneubaubüro in Geyer eingerichtet. Die Bauführung lag in den Händen von Herrn Eduard Hausotte. Beide stifteten eines meiner vielen schönen Buntglasfenster. Herr Ebert hielt dann auch zur Schlüsselübergabe eine ergreifende Rede. Es war ein kolossaler Festakt, aber dazu noch später mehr.
Die Ausführung der Erd-, Maurer- und Zimmererarbeiten unterstand bis August 1919 dem Herrn Baumeister Götze in Geyer. Danach verpflichtete sich eine Genossenschaft der Bauhandwerker, die restlichen Arbeiten in städtischer Regie auszuführen.
Meinen Eltern kostete ich 3.915.600 sogenannte Papier Mark, bis ich dann endlich 1920 erwachsen war und seither der Stadt Geyer diene.
Deshalb habe ich auch den Beinamen Rathaus der Inflationskosten. Ich glaube aber nicht, dass deshalb mein Konterfei auf den Inflationsscheinen der Stadt Geyer war, eher weil die Stadtväter aus der damaligen Not eine Tugend machten und sehr schön gestaltete Banknoten herausbrachten.
(Bild 2) Wer kennt den Spruch? In schwerer Zeit bin ich geboren, die Not zu lindern auserkoren, wer mich verfälscht und mich nicht nimmt, den holt der Geyer ganz bestimmt.
Ich bin ca. 42 m groß, ja genauso wie der Wachtturm, jedoch versteckt sich mein Turm zum größten Teil im Körper. Vielleicht bin ich mit Wetterfahne sogar noch etwas größer. Meine Füße, also mein Sockel, der übrigens aus solidem geyerschen Granit besteht, stehen auf dem Flurstück 119/1 in einer Höhe von 594,642 m über der Ostsee bzw. 594,586 m über Berliner N.N.
Ja, so sagte man das damals und aufgeschrieben hat es bereits im Mai 1886 der Geheime  Regierungsrath A. Nagel vom Königlich Sächsischen Landesnivellements. In der Nordseite habe ich auch ein entsprechendes Piercing, also eine Höhenmarke angebracht bekommen(Bild 3).
Meine Anschriften wechselten auch mit der Zeit, von Marktplatz über Markt 80, dann Karl-Marx-Platz 80 bis heute zu Altmarkt 1.
Stadt - Väter hatte ich seit 1920 schon 11, also Bürgermeister:
1899 – 1926        Dr. Wilhelm Julius Kneschke,
1926 – 1931        Dr. Walter Wilhelm Raupach,
1931 – 1945        Dr. Alfred Herbert Hase,
1945 – 1946        Paul Johann Angermann,
1946 – 1948        Paul Karl Leuthold,
1948 – 1954        Martin Oswin Hartung,
1954 – 1968        Martin Münch,
1968 – 1983        Martin Rabe,
1983 – 1990        Erhart Böhme,
1990 – 2010        Dr. Joachim Weiß
und seit 2011 Harald Wendler. Er amtierte bereits ab Ende 2010.
Übrigens hat mein jetziger Bürgermeister offiziell seine Amtszeiten 2011 und 2018 jeweils an seinem Geburtstag am 01.05. angetreten.
Heute, wenn ich meinen Lebenslauf erzählen darf, befinden wir uns im Saal meiner Schwester, Haus des Gastes genannt, zuvor Kulturhaus bzw. Kulturhaus der Jugend, erbaut als Ratskellersaal. Aber deren Geschichte wird wohl ein andermal erzählt, heute geht es nur um mich, dem Rathaus.
Wie schon gesagt vor 100 Jahren am 03.Dezember 1920 erfolgte meine offizielle Einweihung.
Doch schon vorher, die Handwerker und Bauleute hatten die Fertigstellung gerade geschafft, füllte man mich mit Leben. Bereits am 23.September begann die Verwaltung einzuziehen, am 25. September fanden die ersten Eheschließungen statt, ich kann mich noch erinnern, wie stolz die beiden Ehepaare waren, die sich das Ja Wort gaben.
Die erste Stadtverordnetenversammlung tagte schon am 14.Oktober, noch weit vor der offiziellen Weihe am 03. Dezember 1920.
An den Weiheakt denke ich sehr gern zurück, um 9,00 Uhr hörte ich die Glocken läuten, ich sah wie der Festzug sich von der Schule her zu mir bewegte, vor mir auf dem Marktplatz spielte die Stadtkapelle auf. Die Anwesenden zählte man in Hunderten. Die extra zu meiner Weihe herausgegebenen Postkarten (Bild 4) wurden durch fleißige Hände verteilt.
Bei der Schlüsselübergabe hörte ich den Herrn Architekten Ebert folgende prägende Worte an den Bürgermeister richten:
…, dass in diesem Hause immer wohnen mögen Treu und Glauben, Wahrheit und Gerechtigkeit zum Wohle der mir lieb gewordenen Stadt Geyer.
Nach dem markigen Spruch des Bürgermeisters: „Glück auf, wir ziehen ein!“,durchströmten mich staunend die Gäste, aber nur die geladenen Gäste. Im Wochenblatt und Anzeiger vom Donnerstag, dem 02. Dezember 1920 ist hierzu angemerkt: „An der hierauf (gemeint ist die Schlüsselübergabe) folgenden kurzen Besichtigung des Verwaltungsgebäudes durch die auswärtigen Gäste ist die Teilnahme hiesiger Einwohner unerwünscht.“ Eine konkrete Ansage.
Ich zeigte mich hochmodern, die Toiletten waren mit Wasserspülung und ich besaß eine Zentralheizungsanlage, damals geliefert und eingebaut von der Fa. Wachter in Thum. Die Heizkörper funktionieren übrigens heute noch fast alle.
Dann begann der Festakt. Vor der eigentlichen Festrede sang der Kinderchor unter Leitung des Kantors, Herrn Bönsch, Freude schöner Götterfunken.
Ganz besonders ist mir in Erinnerung geblieben, das der Bürgermeister ohne jegliche Schönfärberei von den Schwierigkeiten und mancherlei Kämpfen berichtete bevor mein Bau beginnen, fortgesetzt und dann beendet werden konnte.
Ich spare mir an dieser Stelle auf alle Festredner einzugehen, es waren derart viele ergreifende Worte. Jedoch höre ich noch das allgemeine Raunen im Saale, welches von der Mitteilung des Klempnermeisters Richard Triemer hervorgerufen wurde: „Die beim Rathausbau beteiligten Handwerker und Lieferanten von hier und auswärts haben unter sich 8.000 Mark zu einer Emil Ebert Stiftung gesammelt um damit ihrer Dankbarkeit für das stets gute Einvernehmen bleibenden Ausdruck zu verleihen.“
Dies rührte den Architekten natürlich sehr.
Die Stiftung verwaltete der Stadtrat, die Zinsen wurde bis zum Jahr 1925 für Kriegswaisen verwendet,
später wurden tüchtige Gewerbeschüler ausgezeichnet.
Das harmonisch verlaufende Festmahl fand erst nach 6 Uhr sein Ende. Zur Weihe gab es Schleie, wie die Speisenfolge (Bild 5) zeigt.
Es war nicht mehr lang hin bis zum ½ 8 Uhr beginnenden Festkommers. Eine vielhundertköpfige Menge gab mir die Ehre. Der Abend lag ganz in Regie des Herrn Stadtrat Kaltofen. Was wurde mir und meinen Gästen nicht alles geboten: Ein Festspiel - verfasst von Herrn Oberlehrer Lungwitz, die Stadtkapelle und die Schützenkapelle spielten auf, Sängervereinigung, fliegende Kapelle, Liederkranz und freie Sänger traten auf , die Turnerschaft zeigte ihr Können, insbesondere an extra dafür aufgebautem Reck und Barren. So verging die Zeit im Fluge, meine Turmuhr schlug ¾ 1 Uhr als das Fest endete. Der zweite Festtag, ein Tanzabend, spielte sich dann aber ausschließlich im Ratskellersaal ab.
Am 02. September 1921 bekam ich auch noch von den Nachbarstädten Annaberg, Buchholz, Ehrenfriedersdorf und Thum ein sehr schönes Ölgemälde für meinen Ratssitzungssaal gestiftet.
Gemalt hatte dieses sowie eine kleinere Version (Bild 6), welches sich im Zimmer des Bürgermeisters befindet, der Künstler und Kunstmaler Alfred Kunze aus Chemnitz. Es zeigt einen wundervollen Blick auf Geyer. Der Annaberger Bürgermeisters Dr. Krug hat es mit folgenden Worten übergeben: „Die Stadtvertreter sollen sich im Anblick des Bildes stets bewusst sein, dass sie alle Beschlüsse zum Besten der Stadt zu fassen haben.“
In meinem Inneren hat sich immer wieder viel getan und verändert, die Wohnungen in den oberen Geschossen, eine für den Bürgermeister, zwei weitere Dauerwohnungen und drei Notwohnungen sind inzwischen umfunktioniert. Auch an zumindest eine Hausgeburt kann ich mich erinnern.
Was sich nicht alles, neben den eigentlichen Verwaltungsbereichen, in meinen Räumen befand oder noch befindet, dazu möchte ich beispielhaft nennen: das städtische Elektrizitätswerk, die Stadt- später Kreissparkasse, die Sozialversicherung, die Bücherei, die Volkspolizei bzw. die Meldestelle, später Einwohnermeldeamt, das Standesamt, vier Arrestzellen, mechanische Landschaften, das City TV, eine Krabbelgruppe, seit 1973 das Fischglas, sogar die Wildkammer des Stadtforstes. Ein Knabe mit Wasserkrug soll das spendende und segenbringende, das alle Zeit vom Rathaus ausgehen soll, verkörpern (Bild 7).
Viele gesellschaftliche Epochen habe ich durchlebt, mit teilweise massiven politischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Da waren die letzten Jahre des 1. Weltkrieges bis zum 11.11.1918, 1918/19 – 1933 die Weimarer Republik, mit Inflation und Putschversuchen, den „goldenen Zwanzigern“ aber auch der Weltwirtschaftskrise, 1933 – 1945 Machtergreifung der NSDAP, Reichskristallnacht, vom 01.September 1938 – 08./09.Mai 1945 der 2. Weltkrieg. Selbst mein damaliger Bürgermeister Dr. Alfred Herbert Hase wurde zum Militärdienst einberufen. 1945 – 1949 die Besatzungszeit, es waren übrigens Amerikaner die als erste meine Treppen empor gestiegen sind. 1949 Gründung der DDR, am 09.11.1989 die friedliche Revolution, besser bekannt als die „Wende“.
Und 1990 am 01. Juli die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion von DDR und BRD und am 03.Oktober den Beitritt der DDR zur BRD, die deutsche Einheit.
Auch Währungen erlebte ich nicht wenige. Es waren bis 1919 die Mark, auch als Goldmark bezeichnet, 1919 – 1923 die Papiermark, 1923 die Rentenmark und Notgeld, 1924 – 1948 die Reichsmark, die Militärmark und die Klebemark, 1948 – 1964 die DM (Deutsche Mark der Deutschen Notenbank), 1964 – 1967 die MDN (Mark der Deutschen Notenbank), 1968 – 1990 die M (Mark der DDR), 1990 – 2001 die Deutsche Mark und seit 2002 den EURO.
Ich möchte nun noch einige besondere Ereignisse zusammen unter der Rubrik „Was sonst noch geschah“. Bis 1967 ist die Eisenbahn an mir vorbeigerattert. Man hat mir, und das nicht nur im 2. Weltkrieg, sondern auch 1992/93 mit Bomben gedroht. An meinem Turm nisten regelmäßig
Turmfalken. Am 11. März 1987 wurde meine vom Sturm beschädigte Wetterfahne von einem Bergsteiger wieder gerichtet. Aus ihr ist die Jahreszahl 1917 herausgeschnitten. Ich kenne noch Tintenfässchen und Schreibfeder, Bleistifte, mit Verlängerungen, wenn diese zu kurz wurden, mechanische und elektronische Schreib- und Buchungsmaschinen, Ormig-Druck und Kohle- und Blaupapier, Nadel- und Tintenstrahldrucker, 286er Arbeitsplatzrechner und heute WLAN für das Ratsinformationssystem und das papierlose Büro.
Auch viele Veränderungen des Platzes vor mir habe ich erlebt, vor allem Änderungen der Verkehrsführung, die heutige mit Ampeln finde ich nicht so schön, dafür aber den neuen Boge Platz als sehr gelungen.
Schon immer war man um mein Aussehen bemüht, ich wurde deshalb auch mehrere Male eingerüstet zum Beispiel 1988 (Bild 8). Richtig wohl gefühlt habe ich mich dann nach der Sockel - Trockenlegung 1999.
An Einbrüche kann ich mich nur an den jüngsten erinnern, dieser geschah am 13. oder 14. August 2018. Die Täter stiegen über ein Fenster in die Touristinformation ein und irrten dann ziellos im Haus des Gastes und in mir umher. Dabei richteten sie mehr Schaden an als was sie erbeuteten. Zum Abschluss möchte ich mich noch dafür bedanken, dass ich derzeit an meiner Nordseite schöne neue Fenster erhalte. Übrigens waren hier ursprünglich, bis ca. 1950, noch weitere Buntglasfenster vorhanden. Das im Eheschließungszimmer zeigte zum Beispiel vier in sich verschlungene Ringe. Das verjüngt mich sichtlich und spornt mich natürlich an, weitere Jahrzehnte der Stadt Geyer als zentrales und repräsentatives Gebäude zu dienen.
Text: Steffen Küchler (Ortschronist)
Bilder: H. Wagner (8)/Steffen Küchler
Quellen: Stadtarchiv/Ortschronik

Die Villa ist Geschichte – die Geschichte der Villa
Jeder weiß natürlich, welche Villa hier derzeit gemeint ist. Aus gegebenen Anlass folgen an dieser Stelle einige Einblicke in die Historie des Gebäudes. Im Auftrage von E. Richard Dietzsch bzw. der Fa. E. Richard Dietzsch, Strumpf- und Wirkwaren Fabrik, im Jahre 1919 von den Chemnitzer Architekten Kornfeld und Benirschke entworfen und ab 1920 vom Baumeister Paul Götze erbaut, blickt dieses schon als imposant zu bezeichnende Gebäude also auf eine 100 jährige Geschichte zurück. Gebaut wurde es damals oberhalb des Geländes der Sächsischen Staatseisenbahn auf dem Flurstück Nummer 160c, Ecke Ehrenfriedersdorfer Straße und (damals noch) Bingenstraße. Es bekam die sogenannte Ortslistennummer 493 D. Das Gelände liegt ca. 615 m über NN. Bevor der erste Spatenstich erfolgen konnte, mussten schon damals nicht wenige Behörden ins Genehmigungsverfahren einbezogen werden. In diesem Falle neben der Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahn zum Beispiel auch der Landesverein Sächsischer Heimatschutz, da das Vorhaben im Bereich des Schutzgebietes der Sankt Laurentiuskirche lag. Das Dach war zwingend mit einfarbigem Naturschiefer abzudecken. Erschaffen als dreistöckiges Wohnhaus der Familie Dietzsch diente es aber insbesondere in den letzten Jahren auch anderen Zwecken. Das Vermögen der Fa. E. Richard Dietzsch, und somit auch die Villa, wurde durch Volksentscheid vom 30.06.1946 enteignet und dem Textilwerk Geyer als Zweigbetrieb der Industrieverwaltung 48, Wirkerei Stollberg übergeben, aber am 05.11.1946 wieder dem nun landeseigenen Betrieb Richard E. Dietzsch zugeordnet. Im Zuge der Bildung von „Eigentum des Volkes“ wurden jetzt die volkseigenen Betriebe (VEB) als Rechtträger im Grundbuch eingetragen. In unserem Fall zuerst der VEB Land Sachsen Maschinenbau in Dresden, danach der VEB Kupferring-Dichtungswerk Annaberg-Buchholz. Nach der Verschmelzung des Flurstücks 160c mit Teilen aus dem ehemaligen Bahngrundstück entstand das Flurstück 160/1. Dieses wurde auf Blatt 1045 des Grundbuches von Geyer eingetragen und dem VEB Geräte-und Werkzeugbau Wiesa zugeordnet. Während der Nutzung als dessen Verwaltungsgebäude befanden sich im Gebäude neben Büros z.B. auch ein Schulungsraum, ein Klubraum und der sog. Frauenruheraum. Mit Wirkung auf den 01.07.1990 wurde die Immobilie von der Spezialwerkzeuge und Hydraulik GmbH Wiesa an die Stadt Geyer übertragen. Vom 15.12.1990 bis 31.10.2005 wurde die Villa vom Institut für berufsbezogenen Erwachsenenbildung GmbH, besser bekannt als „IFBE“, bzw. deren Rechtsnachfolger genutzt und instand gehalten. Die Schaffung dieser Schulungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten trug maßgeblich zur Linderung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt bei. Letzter Pächter war der Verein Lebendige Hoffnung e.V. Einer Vermarktung des Gebäudes stand immer ein sogenannter Altanspruch entgegen. Die Anspruchsteller, also die Rechtsnachfolger der Familie Dietzsch, verlangten die Rückgabe ihrer enteigneten Immobilie. Jedoch bestand immer die nicht unbegründete Hoffnung auf Zuordnung an die Stadt Geyer, bis sich in 2015 die Rechtsauffassung des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen änderte. Die Villa sollte an die früheren Eigentümer rückübertragen werden. Ein durch die Stadt Geyer gegen den Freistaat Sachsen erfolgreich geführter Rechtsstreit erbrachte am 15.12.2017 die Löschung des o.g. Anmeldevermerks aus dem Grundbuch. Seither steht die Villa in uneingeschränktem Eigentum der Stadt Geyer. Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass eine private Bildungseinrichtung auf dem Areal den Neubau einer Oberschule durchführen will. Die in der Substanz nicht mehr zu erhalten gewesene Villa ist nun diesem Vorhaben gewichen. Am 03.07.2020 war von dem Gebäude kaum noch ein Rest vorhanden. Abschließend sei noch eine besondere Episode des Rückbaues erwähnt. Mit besonderer Spannung wurde der Abbau der Kuppel auf dem Rundbau erwartet. Am 23.06.2020 gegen 13,00 Uhr konnte diese heruntergezogen werden. Den Sturz hat sie in der ursprünglichen Form natürlich nicht überstanden. Leider erfüllten sich die Hoffnungen auf historisches Material im Inneren nicht. Kuppel und Hülse waren leer. Eigentlich unüblich für einen solchen Prestigebau. Ob jedoch bei früheren Dachreparaturen Kuppel und/oder Hülse schon einmal geöffnet worden sind, bleibt wohl ebenso wie ein etwaiger Inhalt, im Dunkel der Vergangenheit zurück.
 

Nachträge/Ergänzungen 
Zum Artikel „Die Villa ist Geschichte-die Geschichte der Villa“ im Wochenblatt und Anzeiger Nummer 14/2020 soll, auch hier den Hinweisen aufmerksamer Leser folgend, nicht unerwähnt bleiben,
dass die Villa nicht nur den Mitgliedern der Familie Dietzsch zu Wohnzwecken gedient hatte. Sogar sogenannte Hausgeburten hat das Gebäude erlebt. Und im Zeitraum ab der Übernahme von der Spezialwerkzeuge und Hydraulik GmbH Wiesa befand sich in verschiedenen Räumen der Villa das ABM-Büro der Stadtverwaltung Geyer. Später zog dieses dann um in das ehemalige Bahnhofsgebäude. Aber das wäre schon wieder eine andere Geschichte.
Text / Fotos: Steffen Küchler
 

Ende und Anfang 
Erinnerungen an die Ereignisse im Frühjahr/Sommer vor 75 Jahren in Geyer und Umgebung
In der Nacht vom 08. zum 09.Mai 1945 endete in Europa offiziell der 2. Weltkrieg.
Wie überall, so gibt es auch in Geyer heute kaum noch Zeitzeugen, die sich an jene schicksalhaften Tage erinnern. Aber einige, jedoch auf eigenem Wunsch ohne benannt zu werden, kommen in diesem Artikel zu Wort, außerdem Passagen eines Tatsachenberichts und aus einem Kriegstagebuch, welches leider am 25.März 1945 endet.
Die Verwendung von auch aktuellen Bilder erfolgt bewusst. Sie sollen die Leser animieren, sich an den damaligen Zustand zu erinnern und gegebenenfalls noch vorhandenes historisches Material zu sichten. Sollte das gelingen, würde ich mich freuen dieses einsehen zu dürfen. Im Voraus vielen Dank.  

1. Folge: Zusammenbruch und Kriegsende
In Geyer erhielten insgesamt 1053 Männer den Einberufungsbefehl. Mit bangen Blicken wurde der Briefträger verfolgt. Wem wird er heute den berüchtigten „Einschreiber“ überbringen, der die Einberufung enthielt? Noch besorgter wurden Bürgermeister und Ortsgruppenleiter beobachtet.
Welcher Familie werden sie den „Heldentod“ des Vaters, Sohnes oder Bruders mitteilen müssen?
481 Männer kehrten nicht mehr nach Geyer zurück.
Eine Gedenktafel, die an diese Gefallenen und Vermissten erinnert, wurde am 11. November 1994 an der Friedhofsmauer enthüllt. Jährlich wird zum Volkstrauertag diesen Opfern gedacht. Während die Stadtglocken läuten wird ein Trauergebinde niedergelegt, vor dem Rathaus erfolgt Trauerbeflaggung.
Auch jeder Bürger hat die Möglichkeit selbst den Opfern zu gedenken oder Blumen niederzulegen.

Aufgrund der geografischen Lage und geringer kriegswirtschaftlicher Bedeutung ist die Stadt Geyer vor einer Zerstörung durch Bombenangriffe weitestgehend verschont geblieben. Wie in ganz Deutschland so waren auch im sog. Luftschutzort Geyer die Hauseigentümer angehalten, Vorkehrungen bzgl. der Fliegeralarme zu treffen. So mussten Behälter, Kisten oder Tüten mit Löschsand auf den Dachböden bereitstehen, dazu noch Feuerpatschen oder Bretter mit Riemen zum „Austreten“ eventueller Phosphorbrände und, falls vorhanden, auch Löschspritzen und Gasmasken. Die Bewohner waren aufgefordert bei Fliegeralarm die von außen mit „LSR“ gekennzeichneten Luftschutzräume aufzusuchen. In der Regel waren das die bereits vorhandenen überwölbten Kellerräume. Doch gänzlich verschont blieb Geyer nicht, einen Tag nach der Zerstörung Dresdens kam die Bombennacht. Am 14.Februar 1945 fielen etliche sog. Stabbrandbomben und neben etwa 8 Sprengbomben geringeren Kalibers vermutl. nur eine von größerem Kaliber. Diese im Gebiet um die Gabelsberger Höhe/Spitzberg bzw. der Forstabteilung 9. Der Sprengtrichter soll eine Tiefe von ca. 6 m gehabt haben und im Umkreis von 50 – 70 m² wurde 70 jähriger Baumbestand umgeworfen. Der Ablauf dieses Geschehens ist in hier vorliegenden Berichten zusammenfassend wie folgt beschrieben: Gegen 20.30 Uhr überflogen feindliche Flugzeuge aus Richtung Nordwest bzw. Zwönitz kommend in größerer Zahl die Stadt Geyer. Um die Ziele zu markieren wurden sogenannte „Christbäume“ gesetzt. Der Angriff dauerte wenige Minuten. Die erste Brandbombe fiel mitten auf die Adolf-Hitler-Straße (heute August-Bebel-Straße). Dann ging es Schlag auf Schlag, es hagelte Stabbrandbomben, eine Zahl von 800 – 1.000 Stück ist überliefert. Nachdem die ersten Bomben gefallen waren, versagte die elektrische Beleuchtung. An einigen Stellen im Stadtgebiet schlugen Flammen auf. Es hatte frisch geschneit, eine dünne Schneedecke lag über unserer Bergstadt. Dieser ist es zu verdanken, dass die abgeworfenen Brandbomben in den meisten Fällen nicht zündeten. Jedoch waren drei größere Brände zu verzeichnen. Vollständig niedergebrannt sind ein Lagerschuppen am Güterbahnhof, eine Scheune und das Berghaus Walthershöhe. Letzteres war besonders tragisch. Dort hatte man das Archivmaterial des Postamtes untergebracht, welches gänzlich den Flammen zum Opfer fiel.

Es waren mehrere Klein- bzw. Stubenbrände zu verzeichnen. So u.a. in der Ehrenfriedersdorfer Straße 493 D, König-Albert-Straße 49 I (heute Lindenstraße), Kirchgasse 438, Hindenburgstraße 398 (heute Straße der Freundschaft), Adolf-Hitler Straße 322 (heute August-Bebel-Straße), Horst-Wessel Straße 335 (heute Marienstraße), Bahnhofstraße 402 und das Hintergebäude des Rathauses.
Betriebe und öffentliche Gebäude wurden nicht getroffen. Jedoch muss die Luftdruckwirkung verheerend gewesen sein. Nach vorliegenden Meldungen wurden über 800 Fensterscheiben, darunter viele Schaufenster zerstört. In jener Nacht stand auf dem Güterbahnhof auch ein mit Pulversäckchen der Fa. ERDI beladener Güterzug zur Abfahrt an die Front bereit. Was wäre wohl im Falle eines Treffers geschehen? Nur wenige in Geyer wussten von dieser Ladung und damit auch von dieser wunderbaren Bewahrung.

2. Folge: Die militärische Lage zum Kriegsende um Geyer und im Erzgebirge
Im Vogtland, im Erzgebirge und in Böhmen operierte zum Kriegsende die deutsche 7. Armee und speziell in unserer Gegend die zum XII. Armeekorps „Erzgebirge“ gehörende Division 404.
In der Nacht vom 20. auf den 21.April 1945 wurde der Divisions-Gefechtsstand von Niederzwönitz auf die Greifensteine (Foto 1) verlegt. Geführt wurde die Truppe von Generalmajor später Generalleutnant Schroetter. Sie war u.a. mit schweren Waffen, darunter sechs Geschützen ausgestattet. Seit dem 20. April war der Division 404 auch eine Pionier-Baukompanie unterstellt. Ihr Auftrag war der Ausbau von Stellungen und Panzersperren, u.a. an der Straße Geyer-Thum und an der Zwönitzer Straße im Bereich des Waldhauses. Dazu aber unten stehend noch mehr.
In einem Beitrag aus dem Veranstaltungsplan und Mitteilungen der Stadt Geyer für den Monat Juni 1985 heißt es auch: „ Unterdessen hauste der Nazigeneral Schörner, der sein Hauptquartier in jenen Tagen und Wochen auf den Greifensteinen aufgeschlagen hatte, in unserer Stadt und ließ alle gehfähigen Männer bis ins hohe Alter zum Volksturm einziehen.“
Letzteres ist belegt, auch aus meiner Familie betraf es ein Mitglied im Alter von 59 Jahren, ein General Schörner im Raum Geyer ist aber nicht aktenkundig. Jedoch war im April 1945 die 404. Division Teil der Heeresgruppe Mitte der Wehrmacht unter Generalfeldmarschall Schörner. Im Annaberger Tageblatt vom 12. Mai 1945 ist ebenfalls von einem Generalfeldmarschall Schörner zu lesen. Die deutschen Truppen in der Tschechoslowakei hätten unter seinem Befehl die Bedingungen der vom Oberkommando der deutschen Wehrmacht unterzeichneten Kapitulation verletzt. 
Auch im Erzgebirge erfolgte ein Zweifrontenkrieg. Von Westen her näherte sich die 89. Infanteriedivision des VIII. Corps der 1. US Armee unter dem Befehl von Generalmajor Finley.
Bereits am 19. April 1945 gelang den Amerikanern ein kurzzeitiger Vorstoß bis Lößnitz. Für den 21. April war ein Großeinsatz auf Stollberg geplant. Dazu ging die US-Armee von Gersdorf und Lichtenstein aus vor. Ab dem 03.05.1945 wurde die Division 404 zusätzlich noch von russischen Panzertruppen der 13. Armee der 1. Ukrainischen Front von Osten her bedroht. Als Demarkationslinie galt damals stückweise auch der Greifenbach, also blieben diese Truppen dann auch vereinbarungsgemäß in Ehrenfriedersdorf stehen. 
Generalleutnant Schroetter ließ nach dem 7.Mai, als weitere sowjetische Truppen begannen aus Chemnitz in Richtung Süden vorzustoßen, die Division 404 auf eine Linie Annaberg-Geyer-Zwönitz-Lößnitz zurückgehen. Ziel war es, nicht noch so kurz vor Kriegsende von der Roten Armee eingeschlossen zu werden. Zeitzeugen berichten von Wehrmachtsfahrzeugen, sog. 8-Rad Panzerspähwagen, die noch am 8. Mai 1945 in der Kirchgasse aufgefahren waren und auf denen die Kinder herumklettern konnten. Als dann aber das Gerücht aufkam der „Russe“ sei im Anmarsch, verschwanden die Soldaten panikartig in Richtung Zwönitz.
Eine zuvor präparierte Sperre am Waldhaus (Foto 2), welche feindliche Kräfte, also die Alliierten, aus dieser Richtung aufhalten sollte, erweist sich nun als eigene Falle. Der Wind hatte die angesägten Fichten umgeworfen, die fliehende Wehrmacht musste darum erst sprengen um weiterzukommen. Noch heute zeugen Splitter im dortigen Baumbestand von diesem Ereignis.

Text und Fotos: Steffen Küchler
Quellen: Ortschronik, Stadtarchiv, Zeitzeugen

Nachträge/Ergänzungen 
Ein Dank an die aufmerksamen Leser, die mit Hinweisen, Material und Berichten helfen, die Historie unserer Stadt zu vervollständigen. Siehe zum Beispiel die Bilder von Herrn Andreas Stopp im Wochenblatt und Anzeiger Nummer 12/2020. Natürlich gibt es, und das nicht unbegründet, einen Redaktionsschluss bzw. ein Datum für den jeweiligen Sachstand eines Artikels, aber Folgendes halte ich im Nachgang noch unbedingt für ergänzenswert:
Im Wochenblatt und Anzeiger Nummer 11/2020 sind im Artikel „1945 – Krieg und Frieden, Ende und Anfang“ auf den Seiten 9/10 die bzgl. der Fliegeralarme zu treffenden Vorkehrungen erwähnt. Durch Zufall stieß ich auf diese, nach über 75 Jahren, im Original erhaltenen Utensilien (Foto). In der Kiste ist noch der Löschsand, die Wandhalterungen für die Gerätschaften sind noch vorhanden. Diese wurden dann irgendwann vom Feuerlöscher ersetzt. Auch möchte ich das im Beitrag erwähnte Foto vom Standort des damals am 14. Februar 1945 vollständig niedergebrannten Lagerschuppens nachreichen.
 

Leider konnte auf Grund der aktuellen Lage die für den 18.04.2020 geplante Veranstaltung nicht stattfinden. Das Wetter wäre diesmal ideal gewesen!
Es ist gegenwärtig auch nicht abzusehen, wann derartige Zusammenkünfte wieder erlaubt sein werden.
Viele traditionelle Veranstaltungen wurden definitiv abgesagt. Das betrifft nicht nur die städtischen wie Maibaumsetzen, Hexenfeuer in der Gartenanlage und beim Siedlerverein sondern auch überregional die KÄT, den Tag der Sachsen oder sogar das Oktoberfest.
Und auch in Anbetracht der (noch) für den 19.9.2020 im Rahmen der Wanderwochen Erzgebirge geplanten Wanderung Auf den Spuren kurioser Flurnamen Teil 3, habe ich mich entschlossen eine Exkursion zur Stadtgeschichte frühestens wieder im April 2021 durchzuführen. In der Hoffnung auf ein gesundes Wiedersehen der treuen Besucher der Exkursion hier ein kleiner Vorgeschmack darauf verbunden mit einem Rückblick auf die bisherigen vier Veranstaltungen.

12.03.2016 – Annaberger Straße
Am Treffpunkt Ballhaus Siebenhöfen fanden sich 42 neugierige Bürger ein, die dann die Annaberger Straße entlang mitgenommen wurden in vergangene Zeiten. Es war ein langer Straßenzug, geprägt von markanten Gebäuden über die so manches zu berichten war. Gab es doch beispielsweise Landwirtschaft, Fuhrgeschäfte, Mühlen, Maler, Läden, Korbmacher, Stellmacher, Bäcker, Tischler, Steinmetz, Gaststätten, Tankstellen, Fabriken und eine Badeanstalt. Aber auch Zeugnisse des Bergbaus wie Neuer und Alter Tiefer Hirtenstollen, das „Bachhaus“ und das Bergamt.
Leider war der Abend sehr kalt und ungemütlich und es wurde auch schon dämmrich, es war noch zu früh im Jahr. Trotzdem, so denke ich jedenfalls, war es eine gelungene Premiere, welcher dann ja auch weitere Veranstaltungen folgten. 

01.04.2017 – Altmarkt
Zum Treffpunkt an der Postmeilen, ach nein am Postdistanzobelisk, kamen 41 interessierte Heimatfreunde. Diesmal wurden die Gebäude Altmarkt 1 – 16 und außerdem der Brunnen, die Insel mit der oben erwähnten Säule und der Ortspyramide unter die historische Lupe genommen.
Unterstützt wurde der Vortrag durch eine kleine Bilder - Ausstellung in den Fenstern vom Haus Altmarkt 9. Danach begaben sich alle auf den Rathausvorplatz, von hier konnte man ca. 2/3 der Gebäude des Marktes einsehen. Kaum zu glauben das zu diesem Zeitpunkt noch der Bayrische Hof vorhanden war. Leider gestaltete sich der Vortrag akustisch sehr schwierig. Zum ohnehin hohen Verkehrslärm kam noch der einer gerade durch Geyer verlaufenden Rallye hinzu.

14.04.2018 – An der Binge
Bei herrlichem Frühlingswetter trafen sich gegenüber der ehemaligen Reuterschen Maschinenfabrik 29 Interessierte ein. In ca. 1,5 Stunden ging es das steile Krämerbergel hoch bis zum ehemaligen Areal des Franz-Schachtes an der Binge. Selbst diese relativ kurze Strecke von ca. 400 m hatte historisch viel zu bieten. Schon allein der Straßenzug besaß folgende verschiedene Bezeichnungen:
Weg nach dem Geyersberg, Geyersberger Weg, Weg nach der Annaberger Straße und Weg an der Binge bis zur heutigen Bezeichnung An der Binge.
Und anstatt eines Schlusswortes wurde am Ende mit Blick auf die ehemalige Sandhalde das Gedicht von Manfred Pollmer zum Geyerschen Sand zum Besten gegeben:
Mir Geyerschen, dos is bekannt,
hon wos ze tu mit – Scheiersand.
Kimmt wu e Geyerscher geloffen,
tut alles „Sand“ und „Sandhus“ ruffen…

13.04.2019 – Braustraße
Nun war sie schon zur Tradition geworden, die alljährlich im April stattfindende Exkursion zur Stadtgeschichte. Diesmal ging es für die Teilnehmer bei sonnigem aber kaltem Wetter wieder ziemlich steil bergauf. Start war am Kinokasten bzw. auf dem Platz der Freunde. Hier gab es schon die erste Schätzfrage zu der Anzahl der Park- bzw. Stellflächen. Einige kamen ziemlich nahe an die insgesamt 42 Stück heran. Besonders amüsant ging es über das Kino zu. Da unter uns auch ein Insider war, entwickelte sich der Bericht zu einem Frage – Antwort – Spiel. Zum Bsp. über die Zahl der Sitzplätze, die Eintrittspreise oder die am meisten besuchten Filme. Alte Stadtblätter verrieten auch welche Filme im April vor 50, 40 oder 30 Jahren liefen, nämlich „Die Söhne der großen Bärin“, „Ungleiches Duell“ (Frankreich) oder „Geisterjäger“ (Australien).
Auch für diesen Straßenzug hatte sich die Bezeichnung über Braugasse und Brauhausstraße mehrfach geändert. Außerdem gab es hier u.a. Maler, Fleischer, Schmiede, Posamentierer, Schuster.

April 2021 – Zinngasse / Alte Elterleiner Straße
Bei hoffentlich schönem Wetter und überstandener Pandemie soll dieser Teil des westlichen Geyer erkundet werden. Die Route wird sich diesmal auf schmaler Straße mal bergauf mal bergab schlängeln. In diesem, von der Bebauung her, ziemlich alten Teil der Geyerschen Gemarkung, treffen wir noch auf typische Zeichen der hier ausgeübten Landwirtschaft, wie Scheunen, Wassertröge, Ställe. Hiervon zeugt auch die alte, kaum noch bekannte Bezeichnung Ziegengasse. Wogegen die heutige Bezeichnung eher auf bergbaulichen Ursprung hindeutet. Hierzu dann näheres während der Führung. Ohnehin möchte ich nicht zu viel verraten sondern eher neugierig machen. Interessantes gibt es zum Beispiel über eine Bäckerei zu berichten, deren Spezialität wohl mit Sahne gefüllte Pfannkuchen (Berliner) waren. Ich hoffe also im nächsten Jahr wieder viele interessierte Gäste begrüßen zu dürfen. Bis dahin allen beste Gesundheit.
Text: Steffen Küchler 
 

Nach mehrjährigen Verhandlungen kam es nun am 04.11.2020 zur Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages über landwirtschaftliche Flächen in der Gemarkung Kroppenstedt.
Veräußert werden insgesamt ca. 17 ha, davon 50 % im Eigentum der Stadt Geyer. Hierbei handelt es sich um den Erbteil des Herrn Reinhard Walter Boge, siehe auch Wochenblatt und Anzeiger Nr. 14/2012.
Kroppenstedt gehört zur Verbandsgemeinde Westliche Börde in Sachsen-Anhalt, ca. 250 km bzw. 3,5 Autostunden von Geyer entfernt Richtung Norden. Die Flächen waren bzw. sind verpachtet an dortige Landwirtschaftsbetriebe. Die Stadt Geyer trat jeweils in die Verträge als Erbe ein. Markant sind die historischen Bezeichnungen der Liegenschaften wie, Im Siekfelde, Am Honigkuchenberge, Im Schützenanger, Im Lehmkuhlenfeld, Das Rademacherfeld, Das Weltkuhlenfeld, Im Petershochfelde und Am Ammendorfer Berge. Vorrangig werden Kartoffeln angebaut aber auch Mais und anderes Getreide sowie Futter für die eigene Rinderzucht der Pächter. Dies wird auch weiterhin so bleiben.
Für den Bau und zur Betreibung von Windkraftanlagen sind die Flächen nicht geeignet bzw. wurde die Genehmigung hierzu versagt. Vom neuen Eigentümer, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, wird die Stadt Geyer nun in nächster Zeit die stattliche Summe von ca. 340 TEUR erhalten. In Anbetracht der teils schon begonnenen Investitionsvorhaben werden diese Mittel Teil der zu erbringenden Eigenanteile sein und letztlich zu einer weiteren Aufwertung unserer Stadt beitragen.
Dem der Stadt bisher vererbten Barmitteln von ca. 160 TEUR kommt nun der oben genannte Verkaufserlös hinzu. Mit der Benennung des nach dem Rückbau des Bayrischen Hofes neu gestalteten Platzes am Altmarkt in „Reinhard - Boge – Platz“ bewahren wir unserem Gönner also ein mehr als gerechtfertigtes bleibendes Andenken.
Text/Fotos: Steffen Küchler